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Notfallpädagogik in Deutschland, seit 2014

Ambulanz für Notfallpädagogik

Die Ambulanz für Notfallpädagogik am Parzival-Zentrum Karlsruhe hilft, Kinder nach traumatischen Erlebnissen zu stabilisieren, ihre Selbstheilungskräfte zu aktivieren und eine Verarbeitung der Erfahrung zu ermöglichen. Direkt zur Notfallpädagogik-Ambulanz und weiteren Informationen HIER.

Fotoprojekt mit unbegleiteten geflüchteten Jugendlichen

Zwischen Dezember 2017 und Mai 2018 fand ein Fotoprojekt mit unbegleiteten geflüchteten Jugendlichen, die vor allem am Parzivalzentrum Karlsruhe zur Schule gehen, innerhalb des Projektes ankommen_weiterkommen der Freunde der Erziehungskunst, gefördert von Aktion Mensch, statt.
Die 6 Jugendlichen kamen aus dem Irak, Somalia, Kamerun, Afghanistan und Karlsruhe.
Außerschulische Projekte sollen die Jugendlichen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und
Selbstwertgefühl stärken und kreatives Potential fördern.
An den Treffen in Karlsruhe und Freiburg probierten die Jugendlichen viel aus, bekamen grundlegende Anregungen und lernten, genauer zu schauen, sich Zeit zu lassen, um zu finden, was sie denn eigentlich wirklich interessiert. In dem Prozess war deutlich zu spüren, wie das Verbinden mit den Motiven, das Ausprobieren immer freier und spielerischer wurde.
Eine erste Ausstellung gab es bei der Jahrestagung der NFP Anfang Juni, wo die Jugendlichen zu ihren Bilder sprachen. Besonders berührend waren die Erzählungen zu den Collagen ihrer Länder und Wohnorte.
Das Ergebnis waren sehr schöne Natur- und Architekturfotos, die zum Teil auch auf Postkarten erhältlich sind.

Text: Bettina Woiwode

Streiflichter: Projekt Ankommen_Weiterkommen

Es ist einer dieser regnerischen Tage im Januar. Ich fahre wie verabredet in die Jugendhilfe vom Parzival Zentrum Karlsruhe, um die Jugendlichen zu besuchen, mit einzelnen zu reden. Es ist früher Abend. Essenszeit. Manche Jugendliche sind in der Stadt, andere auf ihren Zimmern, haben vielleicht Besuch und einzelne kochen in den Küchen auf den verschiedenen Stockwerken. Eine ganz entspannte Abendatmosphäre. Einige machen im Moment Praktikum, kommen spät und müde nach Hause. Ich gehe in den ersten Stock. Es riecht gut aus der Küche. Ein Jugendlicher kocht, ich nehme an, für sich. Reis mit Gemüse und Hähnchenbrust in der Pfanne. Er erzählt, dass eine junge Frau aus Somalia vor drei Tagen ein Kind geboren hat in einer Einrichtung nicht weit weg von hier. Das Essen sei dort nicht so gut, er koche jetzt für sie und bringe es ihr rüber. Ich schaue ihn an und bin tief berührt von seiner Hilfsbereitschaft.

Messe Karlsruhe. Einstieg Beruf.
Zusammen mit den Jugendhilfen laden wird die Jugendlichen ein, zur Messe  zu fahren. Es ist eine gute Möglichkeit, sich einen Überblick über die verschiedenen Berufe zu verschaffen. Alle brauchen einen Praktikums – oder
schon einen Ausbildungsplatz. Für manche ist letzteres die einzige Option, in Deutschland bleiben zu können.
Die zwei Hallen sind dicht gefüllt mit jungen Leuten aus den unterschiedlichsten Ländern. An verschiedenen Ständen können sie auch spielerisch praktisch tätig werden: Nägel in ein Holz schlagen, ein Herz aus Schiefer schlagen oder eine Kletterwand hochklettern für den Beruf des Dachdeckers. Viele Informationen werden verteilt oder im Gespräch weitergegeben. An manchen Ständen stehen,
freudig lächelnd, ehemalige Schüler von uns und sprechen mit den Interessenten.
Sehr unterschiedlich schauen, informieren sich die Jugendlichen. Manche wissen genau was sie wollen und gehen direkt zu diesen Ständen, andere schauen erstmal und es dauert eine Weile, bis sie sich trauen, tätig zu werden, auch zum Beispiel ein Herz aus Schiefer zu schlagen. Sehr genaue Informationen wollen einige bei der KVV  und dem Malerberuf. Wieder andere sind noch überfordert mit der deutschen Sprache, als sie bei mutiple choice Dinge ankreuzen wollen.  

Wir treffen einige Jugendliche, die eine Zeitlang das Parzival Zentrum besucht hatten. Im Austausch wird deutlich, dass ihnen etwas fehlt, dass es langweiliger geworden ist. Ein Jugendlicher aus Gambia kommt freudestrahlend auf uns zu in Kappy und Kapuze eingehüllt. Er hätte damals, als er angekommen sei, soviel  gelernt, als wir über die Bewegung die Sprache vermittelt haben, Bewegung, Eurythmie und Erlebnispädagogik. Das würde er nie im Leben vergessen. Er sagt das in großer Freude und Dankbarkeit.
Langsam erinnere ich mich und sein Gesicht von damals, von all den vielen Gesichtern, die schon im Zentrum waren, taucht in mir wieder auf. Zugehüllt und leicht gebückt saß er am Tisch, die Flucht noch auf den Schultern tragend und nur langsam realisierend, wo er ist, angekommen ist.
Es ist schön, so ein Feedback zu hören und es zeigt, dass etwas von der Arbeit, die nicht immer leicht verständlich zu machen ist, angekommen ist.  Sie gibt den Jugendlichen aus der traumapädagogischen Arbeit die Möglichkeit, sich wieder zu öffnen und sich selbst, nach den vielen Gefahren, denen sie ausgesetzt waren, wieder als Mensch zu erleben. Herzlich verabschieden wir uns und ich hoffe, dass er seinen Weg hier in Deutschland finden wird.
Die Jugendlichen haben viele Prospekte in den Händen und gehen mit Anregungen, aber sicher auch mit vielen Fragen nach Hause.
 
Wie oft sind sie wohl schon mit dem Gefühl nach Hause gegangen, ohne zu wissen, ob sie nicht morgen abgeschoben,  oder gar abgeholt werden, wenn sie gerade 18 geworden sind? Oder andere, ob sie einen Transfer haben in eine andere Stadt? Von wie vielen wird zudem erwartet, dass sie ihre Familien unterstützen? Die Unsicherheiten äußern sich meistens nachts, wenn sie nicht schlafen können und dann auch am nächsten Tag nicht zur Schule kommen. Der Druck der Prüfungen in Deutsch oder der Hauptschulabschluss kommen noch hinzu. Und dann, was kommt danach? Gibt es einen Ausbildungsplatz, können sie bleiben? Wir haben öfter die inneren Zusammenbrüche der Jugendlichen bei der Mitteilung der Abschiebung erlebt, die das Trauma reaktivieren.

Und oft  habe ich mir überlegt, wie ich wohl unter all diesem Druck leben könnte, was das mit mir machen würde. Immer wieder bin ich berührt, wie die Jugendlichen eigentlich innerlich sehr unsicher sind und trotzdem so offen und freundlich auf uns zukommen. Der Kontakt ist einfach und schön und schon in kleinen Momenten der Begegnungen kann sich vieles, ja auch Heilendes, abspielen.

Bettina Woiwode ist in Karlsruhe für die Notfallpädagogik der Freunde Erziehungskunst Rudolf Steiners tätig. Sie arbeitet mit drei Kolleg*innen im von Aktion Mensch e.V. finanzierten Projekt "ankommen_weiterkommen". Im Rahmen dessen werden am Parzival-Zentrum außerhalb des Unterrichts Angebote unter Berücksichtigung traumapädagogischer Aspekte für Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gemacht. Karlsruher Jugendliche ohne Fluchthintergrund werden eingebunden. Ziel des Projekts ist die Persönlichkeitsbildung, das soziale Lernen, die Berufsorientierung sowie der interkulturelle Austausch aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Streifzüge durch die Natur helfen beim Ankommen

Geflüchtete Jugendliche lernen die Pfalz kennen

Nachdem das T-Shirt-Projekt gestern abgeschlossen wurde und es in dieser Woche auch noch einen Filmabend sowie eine Fotoerkundung im botanischen Garten Karlsruhe geben wird, stand heute für die geflüchteten minderjährigen Jugendlichen ein Ausflug in die Pfalz auf dem Osterferienprogramm.

Drei Jugendliche aus Eritrea sowie Syrien erkundeten zunächst das Kakteenland in Steinfeld unweit von Kandel. In einem riesigen Gewächshaus sowie auf weitläufigen Außenflächen ließen sie sich begeistern vom exotischen Flair tausende Kakteen und Sukkulenten in verschiedenen Wuchsformen und Größen. Auf den Wiesen vor dem Gärtnereigelände konnten die Geflüchteten die ersten Störche beobachten, die nach ihrem winterlichen Afrika-Aufenthalt zurückgekehrt sind.

Einen guten Überblick über die landschaftlichen Formen des Pfälzer Bergvorlandes gewannen die Jugendlichen bei einer sich anschließenden Wanderung rund um den kleinen Ort Dörrenbach südlich von Bad Bergzabern. Start war in Obstwiesen und dann ging es voran durch weitläufige Weinberge. Ein Aussichtspunkt am Waldrand gelegen ermöglichte weite Blicke in die Rheinebene hinein.

Dieser Ausflug in die Pfalz, bei der es für die Geflüchteten vor allem um das Naturerleben ging, ist genau wie anderen Ferienaktionen eine Initiative des Projektes ankommen_weiterkommen der Abteilung Notfallpädagogik der Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners mit Sitz in Karlsruhe.

Text: Karsten Köber

"ankommen_weiterkommen" mit Aktion Mensch

Die „Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners e.V.“ arbeiten seit über zehn Jahren notfall- und traumapädagogisch in Karlsruhe, Deutschland und der ganzen Welt.

Aktion Mensch e.V., die größte private Förderorgansiation in Deutschland, unterstützt nun diese Arbeit in unserer Stadt für die kommenden zwei Jahre und finanziert das Projekt "ankommen_weiterkommen". Im Rahmen des Projekts werden am Parzival-Zentrum außerhalb des Unterrichts erlebnis- und theaterpädagogische Angebote unter Berücksichtigung traumapädagogischer Aspekte für Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gemacht. Karlsruher Jugendliche ohne Fluchthintergrund werden eingebunden, wodurch ein Integrations-fördernder interkultureller Austausch und gemeinsamer Lernprozess stattfindet. Die täglichen Angebote greifen die Schwierigkeiten der traumatisierten Flüchtlinge auf, geben ihnen Struktur und Sicherheit und unterstützen sie, ihre Erfahrungen zu verarbeiten. Hospitationen im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen für Notfallpädagogik und Publikationen über den Projektverlauf machen die Projektarbeit der Fachöffentlichkeit zugänglich und damit übertragbar.

Ziel des Projekts ist die Persönlichkeitsbildung, das soziale Lernen, die Berufsorientierung sowie der interkulturelle Austausch aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Am Dienstag, den 25. April 2017, findet um 11 Uhr am Parzival-Zentrum die feierliche Auftaktveranstaltung von "ankommen_weiterkommen" statt.
Neben den Projektbeteiligten erwarten wir Vertreter der Organisation Aktion Mensch, Mitarbeiter von verschiedenen Nichtregierungsorganisationen sowie Aktive der Sozial- und Jugendeinrichtungen aus Karlsruhe und Umgebung.

Was bleibt, ist die Begegnung

Bereits seit 10 Jahren führen die Freunde der Erziehungskunst in Krisengebieten und nach Katastrophen notfallpädagogische Einsätze durch. Die weltpolitischen Ereignisse und die Flucht vieler Menschen zu uns nach Deutschland schafften auch hier den Bedarf für die stabilisierende und heilende pädagogische Arbeit der Notfallpädagogik. Dies umfasst Angebote für Kinder in Unterkünften und in den Eingangsklassen für unbegleitete Minderjährige sowie Fortbildung und Beratung  für Menschen, die mit Geflüchteten arbeiten.

Notunterkunft Karlsruhe, Herbst 2015: Eine Kollegin erzählt: „Ich habe mit Kindern im Irak und auf der Fluchtroute gearbeitet, nun sind diese Kinder hier. Vieles ist ähnlich improvisiert, wir arbeiten auf dem Boden, zwischen Zelten, ohne Räume. Aber was bleibt, ist die Begegnung. Sei es über Bewegung, Malen, Filzen oder über Worte, Gesten, Augen-Blicke oder Berührungen.“

Die Kinder kennen uns schon, sie holen die anderen und dann geht es los. Ein Lied, rhythmisches Klatschen, anschließend Bewegungsspiele,  Hüpfen, oder Malen, Kneten oder Filzen.Die wiederkehrenden Elemente geben den Kindern Orientierung und Halt. Im Spiel sind sie freudig und ausgelassen, dann wieder hoch-konzentriert z.B. beim Balancieren. Später bedanken sich die Eltern und es ist zu spüren, wie froh sie sind, dass wir mit ihren Kindern spielen und Freude bringen. Etwas, das sie selbst ihnen derzeit nicht oder nur schwer geben können.

Notfallpädagogisches Kompetenzzentrum Karlsruhe: Das traumapädagogische Wissen und die Erfahrung aus vielen Akuteinsätzen ist auch bei Fachleuten in der Region und bundesweit gefragt. Initiativen anderer Städte bitten um Fortbildungen oder telefonische Beratung, wir organisieren Tagungen und Seminare zu Flucht-Trauma-Pädagogik. Auch der Bedarf an neuen Themen wird größer  dennan vielen Orten ist die Arbeit in einer zweiten Phase angekommen. Nachdem der große Stress nachlässt, können sich tiefere, auch schmerzhafte Schichten zeigen, die bishervermieden und nun wahrgenommen sein wollen. Es braucht Behutsamkeit und den Blick auf die vorhandenen Ressourcen des Einzelnen; eine traumasensitive Pädagogik, die den ganzen Menschen in seiner Gesundheit stärkt.

Parzival-Zentrum Karlsruhe: Hier werden 160 Jugendliche mit Fluchthintergrund in 9 Klassen beschult. Unsere  notfallpädagogische Arbeit erntet zunächst skeptische Blicke– alles, was nicht Tafel und Schreiben ist, gilt nicht als Lernen. Aber  nach einigen Tagen fragen einzelne Jugendliche von sich aus nach den spielerischen und künstlerischen Elementen.
45 Minuten Formenzeichnen in der Eingangsklasse: Die (13- bis 17-jährigen) Jugendlichen ringen um Kontinuität und Ästhetik in der Linienführung: Wie male ich einen Kreis oder eine liegende Acht „am Stück“? Wie wird der Kreis rund und wie geht das mit dem Kreuzen bei einer liegenden Acht?  Nach einigen Malen wird der Kreis immer „schöner“ oder der Kreuzungspunkt der Acht immer „mittiger“. Sie erleben: In jedem Moment kann ich etwas NEU machen. Gestärkt in ihrem Willen und ihrer Selbstwirksamkeit gehen die jungen Männer aus dieser Stunde. Einer äußert, es habe gut getan, er sei so entspannt und habe etwas ganz Neues gelernt. Und ganz nebenbei trug die Verknüpfung von rechts und links in diesem kreativen Prozess dazu bei, gehirnphysiologisch lern- und aufnahmebereiter zu sein.

Der Prozess gelingender Integration braucht von uns allen:
Da-SEIN, manchmal auch anders als bisher, damit auch der andere Mensch ganz da sein kann. Bei mir und bei Dir und in dem Raum dazwischen sein, ohne Wertung, in Geistes-Gegenwart.  Belohnt wird diese Anstrengung vom Glück lebendiger Menschen-Begegnung.

Text: Fiona Jaffke

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