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Kurdistan-Irak Langzeitprojekt 2016

Es geht weiter im Nordirak


„Meinem Sohn geht es jetzt deutlich besser als vor einigen Monaten. Als wir unser neues Leben nach der Flucht begannen, war er sehr unsicher und verängstigt. Durch die Arbeit mit dem deutschen notfallpädagogischen Team hat sich sein Zustand ins Gegenteil verwandelt. Er ist wieder fast wie früher.“

Das berichtet uns eine Mutter aus dem Flüchtlingslager. Seit 2013 sind die Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners in den Flüchtlingslagern Berseve I und II in der autonomen Region Kurdistan im Nordirak aktiv. Ein Team aus lokalen Pädagogen, teilweise selbst Flüchtlinge, wurde ausgebildet und arbeitet täglich mit den Kindern des Camps. Nach einer Phase der Unsicherheit über die Fortführung des Projektes und der Suche nach einem neuen Kooperationspartner steht nun fest: Es geht weiter!

Wenn wir mit unseren Mitarbeitern in den Camps und den umliegenden Städten und Dörfern unterwegs sind, werden wir immer wieder auf Deutsch angesprochen. Viele der hier lebenden Flüchtlinge sind während des Irakkrieges zwischen 2004 und 2008 nach Europa geflohen. Nach Ende des Krieges blühte die Wirtschaft in ihrer Heimat auf und sie kehrten nach Hause zurück, bevor sie vor dem Vormarsch des sogenannten Islamischen Staates (IS) erneut fliehen mussten. In den Lagern leben heute Flüchtlinge mit syrischen, jesidischen, turkmenischen und kurdischen Wurzeln. Überall in der Region Dohuk sieht man neue Zeltstädte und Containeransammlungen wachsen, denn die Lebenssituation derer, die keine Aufnahme in den großen Lagern gefunden haben und sich selbst in Bauruinen und improvisierten Lagern durchschlagen, ist besonders prekär. Zudem erwartet man täglich neue Flüchtlingsströme, ausgelöst zum Beispiel durch die Kämpfe rund um die Stadt Mossul.
In den Flüchtlingslagern spürt man unter den Bewohnern Angst und Orientierungslosigkeit. Auch wenn manche der Heimatregionen wieder vom IS befreit wurden, können die Menschen nicht zurückkehren, da die Versorgungssysteme, die Infrastruktur, die Häuser und das komplette Wirtschaftssystem komplett zerstört sind. Hinzu kommt, dass sich die wirtschaftliche Lage in den Flüchtlingslagern verschlechtert. Internationale Hilfsgelder bleiben aus und so mussten die Pro-Kopf-Pauschalen um mehr als zwei Drittel gekürzt werden. 

Kooperation mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ)

Immer wieder müssen internationale Hilfsorganisationen ihre Tätigkeiten mangels Finanzierungsmöglichkeiten einstellen, obwohl die Not der Menschen für uns unmittelbar spürbar ist. Daher sind wir sehr froh, dass es uns gelungen ist, mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (kurz GIZ) einen zuverlässigen Projektpartner gefunden zu haben, mit dem die Arbeit für weitere 12 Monate fortgeführt werden kann.
Durch die Finanzierung der GIZ können unsere Aktivitäten im Irak nun sogar ausgeweitet werden. Zu dem bestehenden Team aus lokalen Pädagogen, das in den Camps Berseve I und II tätig ist, kommt ein zweites Team hinzu, das nach den Sommerferien im Camp Chamishku arbeiten wird. Zuvor werden die lokalen Kräfte eine intensive Schulung durch unsere Experten erhalten. Grundlegende Elemente und Methoden der Notfallpädagogik, wie die Rhythmisierung des Alltags, Anfangs- und Abschlusskreise, künstlerische Arbeit, Bewegungsspiele und Vieles mehr werden gemeinsam eingeübt. Die Besuche der internationalen und erfahrenen Notfallpädagogen finden alle zwei Monate für je zwei Wochen statt, um den lokalen Pädagogen eine bestmögliche Unterstützung und Ausbildung zu ermöglichen.

Weitere Bausteine des aktuellen Projektes im Irak sind Seminare mit Pädagogikstudenten der Universität Dohuk, Lehrern der Campschulen, Eltern und weiteren Interessierten. Um den Kindern die Verarbeitung ihrer Erlebnisse zu erleichtern und Traumafolgestörungen abzumildern, ist es sehr hilfreich, wenn alle Erwachsenen in der Umgebung der Kinder traumapädagogisch geschult sind. In den Seminaren werden grundsätzliche Themen zur Traumatisierung, dem Umgang mit traumatisierten Kinder, notfallpädagogischen Methoden, aber auch der Selbstfürsorge und Psychohygiene behandelt.
Wir wünschen uns, dass unsere Arbeit auf diese Weise von der gesamten Gemeinschaft der Camps getragen werden kann und im täglichen Leben in den Lagern Anwendung findet.

Im „Sommer-Projekt“ werden die Freunde der Erziehungskunst eine Kinderbetreuung während der Sommerferien, in denen die Schulen der Flüchtlingslager geschlossen bleiben, anbieten. Das Besondere an diesem Projekt ist, dass es sich um ein sogenanntes „Cash-for-Work Projekt“ handelt. 250 Flüchtlinge und Bewohner der umliegenden Ortschaften werden für das Projekt angestellt und erhalten für ihre Arbeit einen fairen Lohn. So verbessert sich die wirtschaftliche Situation vieler Familien. Gleichzeitig wird den Kindern ein sinnvolles Beschäftigungsangebot während der Ferien gemacht. Auch hier kommen notfall- und traumapädagogische Methoden zum Einsatz.

  „Wir lernten mit den Kindern umzugehen. Zu Beginn hatten wir wenig Erfahrung und wussten nicht was wir tun sollten. Mit der Zeit aber bekamen wir durch die Trainings mehr Selbstvertrauen und Selbstständigkeit, so dass wir uns heute eigene Spiele ausdenken können. Im Gegensatz zum Anfang, als wir sehr schüchtern waren, können wir jetzt auch mit den Kindern spielen und singen“ erzählt einer der lokalen Mitarbeiter von seiner Entwicklung. Auch wenn noch viel zu tun ist, freuen wir uns, dass es gelungen ist, die waldorfpädagogischen Ansätze mit der lokalen Kultur zu verknüpfen und so ein solides Fundament für die weitere Arbeit zu haben.

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